Der Twist – Der kleine Montagskrimi

Der Twist

Als die Türe zu meinem Büro aufschwang, rechnete ich zuerst damit in den Lauf einer Maschinenpistole zu blicken oder einen Baseballschläger zu küssen. Immerhin ist die Liste meiner Feinde ziemlich lang und mit der Miete bin ich ebenfalls im Rückstand. Wie immer. Wer ich bin? Mein Name ist Catch McGee. Meine Feinde nennen mich Arschloch und Freunde habe ich keine.

Ich denke, das liegt an meinem Beruf. Ich bin Schnüffler und stecke meine Nase in alles rein. Vorausgesetzt die Kasse stimmt. In diesem Job gibt es halt keine Freunde. Jedenfalls nicht für mich, denn für Geld würde ich sogar meine Großmutter ans Messer liefern. Um ehrlich zu sein, das habe ich sogar getan. Glücklicherweise habe ich zwei Großmütter und das bedeutet doppelt Kasse zu machen. Zu Weihnachten schicke ich den beiden Kekse in den Knast.

Was für ein Arschloch, denken sie sich jetzt bestimmt und schon sind wir wieder zurück auf der Straße der Einsamkeit und in meinem Büro, in dem gerade die Türe aufschwang. Zu meiner Erleichterung war es weder ein bezahlter Schläger, noch mein Vermieter. Nein, was da hereingerauscht kam, raubte mir schier den Atem. Es war die heißeste Braut die ich je in meinem Leben gesehen hatte.

Beine bis zum Himmel, Brüste wie Melonen und einen mehr als üppigen Hintern. Dazu der passende Schmollmund, eine blonde Löwenmähne und Augen so blau und unschuldig, dass ich darin ertrinken wollte. Wenn so ein steiler Zahn in ein solch mieses Büro wie meines kommt, dann läuft was schief. Solche Bräute bedeuten Ärger. Aber das war mir in diesem Moment vollkommen egal.

Sie schloss die Türe, stelzte mit aufregendem Schritt auf mich zu und setzte sich ungefragt auf die Tischkante. Der Überschlag ihrer Beine war heiß und ließ erahnen, was für Freuden auf mich warteten. Sie lächelte. Ich kramte zwei Gläser und den besten Whiskyverschnitt diesseits der Mainstreet aus der Schublade.

„Ich nehme an, ich soll ein paar besonders heiße Kartoffeln aus dem Feuer holen?“ In der Schublade hatten nur schmutzige Wassergläser gelegen und die füllte ich nun bis zum Anschlag.

Die Braut schnappte sich ein Glas und stürzte den Inhalt ohne mit der Wimper zu zucken hinunter. Alle Achtung, damit machte sie jeder Straßenhure Konkurrenz. „Irene Miller mein Name. Ich brauche einen Mann, der eine Aufgabe ohne Fragen zu stellen erledigt. Egal um was es geht. Und da hat man mir sie empfohlen.“

Das mich jemand empfiehlt, das war mir neu. Aber ich liebe neue und aufregende Dinge. Mit meinem Finger fuhr ich über ihre Wade entlang hoch zur Hüfte und atmete ihren süßen Duft ein, gemischt mit dem Hauch eines billigen Whiskyverschnitts. Meine Schuld. Verspielt schlug sie meine Hand zur Seite und zog aus ihrer Handtasche ein dickes Bündel Dollarscheine. „Wie sieht es aus, Mister McGee?“

Irene hatte eine verdammt sinnliche Stimme, die mir den Atem raubte. „Nennen sie mich doch einfach Catch.“, presste ich hervor und schnappte nach dem Geldbündel. Die Dollars konnte ich gut gebrauchen. „Was ist der Job?“

Sie lachte. Und dieses Lachen machte mich heiß. Genau das hatte sie auch gewollt. „Nun, Mister Catch, es gibt da diesen Mann. Er hat mir versprochen seine Frau zu verlassen und mit mir viele süße Babys zu machen. Aber er bricht sein Versprechen immer wieder.“

„Und ich soll seine Angetraute wegpusten? Sorry, Süße. Selbst ich kenne Grenzen.“ Allerdings verschoben sich einige dieser Grenzen beim Anblick von Irenes bebendem Busen.

„Gott bewahre, Mister Catch. Nein. Ich will wissen ob das stimmt, was mir dieser Mann erzählt. Sie sollen ihn beobachten und Fotos machen. Keine schriftlichen Aufzeichnungen oder so. Ich will nur sehen ob er wirklich eine Frau hat und ob sie tatsächlich todkrank ist.“

Das war der klassische Fall. Leicht und schnell zu erledigen. Normalerweise heuern mich die Ehefrauen an, um der Geliebten nachzuspüren. Das war zugegeben mal etwas anderes. Aber ich konnte Irene verstehen. Sie war keine dieser dummen Gänse, sondern hatte Köpfchen. Ein verdammt süßes Köpfchen.

Irene griff mit der Hand unter mein Kinn und hob sanft meinen Quadratschädel an. Unsere Blicke trafen sich. „Ich glaube dieser Mann lügt mich an, Mister Catch. Und dann wäre ich ziemlich wütend. So wütend, dass ich mir aus Rache jemand anderen in mein Bett holen würde.“

Wut und Rache sind etwas Feines, schoss es mir durch den Kopf. Vor allem kombiniert mit Sex. Ich grinste blöd und im nachhinein glaube ich auch mich erinnern zu können, wir mir voller Vorfreude der Sabber übers Kinn lief. Und das schien ihr zu gefallen.

***

Verdammte Scheiße, in was hatte ich mich da hineingeritten? Die kleine Irene hatte sich ausgerechnet Fredo Oktavio als Liebhaber ausgesucht, einen bekannten und berüchtigten Buchmacher. Oktavio trennte Privates und Geschäftliches streng. Er war dafür bekannt seine Familie vollständig aus dem Geschäft zu halten. In diesem Punkt war er richtiggehend Paranoid und schottete Frau und Kinder vollständig ab. Falls er denn Frau und Kinder hatte. Ich hätte den Auftrag ablehnen sollen. Aber hier war mehr im Spiel als nur Geld. Ich wollte Irene einfach nur flachlegen. Der kleine Mister Catch McGee gab nun aus der Hose heraus die Befehle. Scheiße, aber so sah es nun mal aus.

Fredo Oktavio war ein geschniegelter Typ im feinen Nadelstreifenanzug, mit teuren italienischen Schuhen, weißen Gamaschen und ordentlich Pomade im schwarzen Haar. Anfang Fünfzig, gut betucht und stets auf der Hut. Offiziell war Oktavio Uhrmacher, aber seine Kunden bezahlten ihn für ganz andere Dienste. Die einflussreichsten Kriminellen der Stadt gehörten dazu. Und ich Idiot hatte mich an seine Fersen geheftet.

Das war wortwörtlich zu verstehen. Denn ich hatte mich dazu entschieden Oktavio per Pedes zu verfolgen. Ein Auto war zu sperrig und fiel leicht auf. Jedenfalls meine klapprige Karre, die selbst Leuten auffiel an denen ich nur zufällig einmal qualmend vorbeirauschte. Zu Fuß war es auch einfacher Oktavio auf der Spur zu bleiben. Die Stadt war immer überfüllt und Autos kamen nur im Schritttempo voran. Wunderbare Bedingungen für einen Kerl wie mich.

Ich muss sagen, anspruchsvoll war die Aufgabe keinesfalls. Fredo Oktavio war eigentlich ein langweiliger Kerl. Er kam früh zur Arbeit, keine Ahnung woher, schloss seinen Laden auf und wartete dann auf Kundschaft. Einige Leute waren offensichtlich tatsächlich darauf aus eine Uhr zu kaufen. Aber die meisten wollten etwas anderes von Oktavio. Das lag auf der Hand, denn ich kannte die meisten dieser schmierigen Gesellen. Wir verkehrten immerhin im gleichen Milieu. Vom Kleinkriminellen bis hin zum Big Boss, sie alle nahmen Oktavios Dienste in Anspruch. Hier ein paar Schnappschüsse zu machen, könnte ein nettes Sümmchen einbringen. Aber ich bin gierig, nicht doof. Also blieb meine Kamera schön tief in ihrer Tasche stecken.

Ein Sandwich zum Frühstück, einen Mokka zu Mittag, Nachmittags ein grüner Salat. Ich versorgte mich dagegen mit etlichen Donuts und Hot Dogs, genug um eine ganze Armee Oktavios zu sättigen. Aber der Kerl kam mit wenig aus. Und trotz dieser Sparflammentaktik war Oktavio verdammt fit. Kein Vergleich mit meinem behaarten Bierbauch.

Nach Feierabend wurde es für mich spannend. Nun musste ich mich auf seine Fersen heften, ohne gesehen zu werden. Das sollte kein Problem sein, immerhin war das mein Job. Allerdings musste es auch gute Gründe dafür geben, warum bisher niemals jemand Oktavio nachgespürt hatte. Verdammt gute Gründe. Okay, die Gangster der Stadt waren seine Kunden und niemand bei klarem Verstand würde es sich mit ihnen verscherzen wollen. Fast niemand. Ich fluchte innerlich und stellte mir Irene nackt vor. Fast nackt, denn ich stand auf edle Strümpfe. Das baute mich auf.

Tatsächlich war es ziemlich einfach Oktavio zu folgen. Verdammte Scheiße, der Mann verließ sich einfach auf sein kriminelles Schutzschild. Dachte ich solange, bis er in einer chinesischen Wäscherei verschwand und ich erst nach einer Stunde begriff, dass Oktavio weg war. Scheiße!

Nächster Tag, nächster Versuch. Selber Mann, gleiches Spiel. Diesmal war ich vorbereitet und hatte ein altes verschwitztes Hemd eingepackt, um ihm in die Wäscherei zu folgen. Und tatsächlich. Oktavio hielt auf die gleiche Gegend zu, ab nach Little China. Vorher bog er noch kurz ins Dragonfly Inn ab. Guter Mann, chinesisch sollte ich auch mal wieder essen. Ich wartete und Oktavio blieb verschwunden. Der alte Gauner kannte wohl mehr als einen Hinterausgang. Bei den Chinesen nachzufragen sparte ich mir. Wenn sie auf Oktavios Lohnliste standen hielten sie den Mund und ich würde nur schlafende Hunde wecken.

Nächster Tag, nächster Versuch. Diesmal hatte ich einen besseren Plan, diesmal würde ich Oktavio erwischen. Keine Wäscherei, kein Restaurant. Nein. Diesmal verschwand meine Zielperson in einem Blumenladen. Also wieselte ich über die Straße und ums Gebäude herum. Ich musste nur schneller sein. Und da war er auch schon, der Hinterausgang. Zeitung hoch und unschuldig gucken. Das klappt bei mir zwar nie, aber ich versuche es immer wieder. Ärgerlich war nur, dass Oktavio nicht kam.

Das ging die nächsten drei Tage so. Oktavio war verdammt clever. Also musste ich meinen Grips bemühen. Die Hintertüren waren nicht die Lösung des Problems. Also kramte ich den Stadtplan raus und markierte alle Gebäude. Denn eines war mir klar, in keinem der Läden würde Oktavio wohnen. Sie alle dienten nur dem Verschwinden. Und so wie er verschwand, so tauchte er auch auf. Scheinbar aus dem Nichts.

Ich zog Linien zwischen den Läden und betrachtete dann mein Meisterwerk. Überall waren nun Markierungen und Verbindungen eingezeichnet. Es gab keine Gemeinsamkeit. Wenn sich Linien trafen, dann ohne Sinn. Aber dann kapierte ich, wohin Fredo Oktavio verschwand. Er nutzte das Netzwerk aus Kellern, dass auch die Chinesen gerne für ihre Geschäfte einsetzten. Und verschwand zu dem einzigen Punkt in Little China, bei dem es weder eine Markierung, noch eine Linie gab. Da war ich mir sicher.

Am nächsten Tag machte ich mich also sofort auf den Weg ins Chinesenviertel und sah mir die Gegend an. Eines der Häuser war zu sauber, zu ordentlich für die Gegend. Bingo! Jedenfalls war ich davon überzeugt, einen Treffer gelandet zu haben.

Also legte ich mich vor dem Haus auf die Lauer. Warum die Maus jagen, wenn du ihr Nest kennst, sagte ich mir. Tagsüber war alles ruhig. Keine Frau und keine Kinder zu sehen. Einkaufen und Schule, vermutete ich. Gegen Nachmittag kam ein Kerl in feinem Zwirn und schloss das Haus auf. Er kam im feinen Stil Oktavios daher und trug eine große Papiertüte mit Einkäufen. Vermutlich der Dienstbote. Ich lag weiter auf der Lauer, doch es kam kein Oktavio. Dafür gingen irgendwann die Lichter an und leise Musik war aus einem der oberen Fenster zu hören. Von der Straße war die obere Etage aber uneinsehbar. Verdammt! Sicherlich betrat und verließ Fredo Oktavio sein Haus ebenfalls über den Keller.

Ich suchte mir nun ein nettes Nachbarhaus mit Balkon und klopfte auf gut Glück an. Der chinesische Opa und seine Sippe schnatterten sofort los und wollten mir die Türe vor der Nase zuschlagen. Aber mit ein paar Dollars waren sie schnell verstummt und ließen mich auf ihren Balkon. Prima Ausblick, ich sah alles, was ich sehen musste.

Es gibt bei jedem Fall diesen Augenblick, in dem sich alle Vermutungen und Einschätzungen plötzlich drehen und ein anderes Bild ergeben. Ich nenne das einen Twist. Keine Ahnung ob das bei allen Detektiven so ist, aber bei mir ist kein Fall so wie er scheint. Und genau das war wieder so.

Die teure Hütte vor mir gehörte tatsächlich Fredo Oktavio. Und der gute Mann war daheim. In bester Gesellschaft. Denn er und der vermeintliche Dienstbote tanzten eng umschlungen zur Musik, befingerten sich, küssten sich. Oktavio war ein Hinterlader! Verdammte Scheiße! Warum brauchte er dann eine so heiße Geliebte wie Irene? Als Alibibraut? Unwahrscheinlich, denn es war ja eine heimliche Geliebte. Es war klar, dass Oktavio ein ziemlich mieses Spiel mit Irene trieb. Die Arme. Doch Job war Job. Also knipste ich ein paar Bilder als Beweis, bedankte mich bei den Schlitzaugen und trabte zur nächsten Telefonzelle.

Zum Glück war Irene Zuhause. Am Telefon war so etwas nur schwer zu besprechen. Die Bilder zu entwickeln würde einige Zeit dauern. Also gab ich Irene nur Oktavios Adresse und bestellte die Braut um Mitternacht in mein Büro. Dort würde sie die Fotos von mir erhalten. Außerdem gab es da noch dieses feuchtheiße Versprechen, das Irene zu erfüllen hatte.

***

Ich hatte Anfangs ja gesagt, dass ich Ärger befürchtete, als die Türe zu meinem Büro aufschwang. Rückblickend ist dem wirklich so. Der ein oder andere ahnt es sicherlich schon, aber ich und Irene hatte keine feuchtheiße Nummer miteinander.

Statt der scharfen Blonden stürmten ein paar Polizisten mein Büro. Glücklicherweise hörte ich rechtzeitig den Tumult auf dem Flur und konnte mich mit einem Sprung aus dem Fenster retten. Keine Ahnung was die Jungs wollten, aber wenn Cops mein Büro stürmen, dann renne ich erst einmal weg.

Das stellte sich auch als ziemlich gute Idee heraus, denn auf der Straße machte das Gerücht die Runde, jemand hätte Fredo Oktavio in seinem Haus erschossen. Jemand, der genau wusste, wo er Oktavio finden konnte. Jemand ohne Skrupel, jemand, der für Geld einfach alles tat.

Tja, es ist ja schon klar, worauf die Sache hinausläuft. Dieser jemand bin natürlich ich. Ich wurde sauber hereingelegt. Sozusagen ein doppelter Twist. Und der traf mich unter der Gürtellinie.

Zur Sicherheit sah ich nämlich bei Irene vorbei. Aber die lag, mit einem blutigen Loch zwischen den schönen Augen, in ihrer Wohnung. Die Kleine hatte wohl jemand aufs Kreuz gelegt – und zwar in einer unangenehmen Art und Weise. Als die Polizei in Irenes Wohnung eintraf, war ich natürlich schon weg. Immerhin jagte mich die Polizei schon wegen Mordes an Fredo Oktavio und die Gangster jagten mich ebenfalls deswegen. Nur aus anderen Gründen, denn ich hatte ja vermeintlich ihren Buchmacher weggeballert.

Die Nacht ist kalt und nass, und mir bleibt nur mein Regenmantel und eine Handvoll Dollar, um unterzutauchen und Gras über die Sache wachsen zu lassen. Wahrscheinlich in einer anderen Stadt. Oder besser noch in einem anderen Land. Scheiß Twist!

ENDE

Copyright © 2012 by Günther K. Lietz

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