Der kalte Krieg ist schon lange vorbei, die innerdeutsche Mauer gefallen und die Welt der Spione glaubt sich neu erfinden zu müssen. Die Urgesteine der Agentenwelt verkommen zu missmutigen Dinosauriern, die nur noch auf den Meteoriten warten, der ihnen ein gnädiges Ende bereitet.
Eines vorweg, ich habe die Buchvorlage nicht gelesen, kann also nicht entscheiden, ob diese sechsteilige Serie als Adaption des Werks des schwedischen Schriftstellers Thomas Engström gelungen ist. Die Serie muss also für sich alleine stehen – was sie selbst als Adaption auch sollte.
Das gelungene Intro und den knallige Einstieg, ganz im Stile der US-Serie „Homeland“, lassen bei erster Betrachtung dieser Miniserie die Erwartungen nach oben schnellen, aber schnell breitet sich Ernüchterung aus. Diese mehrteilige Koproduktion, mit Beteiligung des ZDF, ist dann leider doch nur die übliche bräsige Fernsehunterhaltung. Das bedeutet zwar noch immer spannende Unterhaltung, beinhaltet aber auch verschenktes Potenzial.
Die Geschichte ist ziemlich simpel, wenn auch von den Drehbuchautorinnen Sara Heldt und Donna Sharpe leicht verfahren erzählt: Die Rechtsberaterin Faye Morris (gespielt von Michelle Meadows) der Enthüllungsform Hydraleaks versucht wieder nach Hause in die USA zu kommen, ohne Repressalien für diverse Enthüllungen zu befürchten. Hilfe erhofft sie sich dabei vom US-Botschafter in Berlin, gerät aber ans CIA. Deren Chef, ein gealterter Top-Mann (Matthew Marsh als Clive „GT“ Barner), weiß, dass seine Tage gezählt sind. Mittels Morris‘ Wissen will er noch einen letzten großen Coupe landen und beweisen, dass er nicht zum alten Eisen gehört – und so vielleicht sogar seine Abberufung verhindern kann. Hilfe erhofft er sich dabei von einem alten „Freund“, dem ehemaligen Doppelagenten Ludwig Licht (gespielt von Wotan Wilke Möhring). Licht war einst für die Stasi und die CIA tätig, heute ist er ein Quartalstrinker und Glücksspieler mit Schulden bei moldawischen Kleinkriminellen.
Im Auftrag Berners kümmert sich Licht nun um Morris, die erst einmal ein sicheres Versteck braucht, bis die CIA ein paar Sachen geklärt hat. Nebenbei ist Lars Eidinger als eine Karrikatur von Julian Assange zu betrachten, wird eine Freundin von Faye ermordet und gibt es noch weiteres Zeug zu sehen, dass die Handlung weder voranbringt oder für diese tatsächlich von Bedeutung wäre. Es ist als würde man mit einem Zug ohne Fahrplan fahren, der dann gelegentlich nicht nachvollziehbar anhält, um die Fahrt so lange und langweilig wie möglich zu gestalten. Also kein großer Schlag. Trotzdem kommt die Miniserie mit einigen Glanzlichtern daher, die ganz alleine von Wotan Wilke Möhring und Matthew Marsh stammen. Alleine und auch in Interaktion machen sie einiges an der verkorksten Inszenierung wieder wett, so dass diese zumindest auf ein Mittelmaß gehoben wird. Alle anderen Figuren sind absolut vernachlässigbar, unwichtig oder nerven, weil sie Möhring und Marsh Spielzeit wegnehmen.
Ein wahres Kuriosum ist übrigens, dass in der deutschen Fassung der Serie alles deutsch synchronisiert wurde. Also auch die deutschen Schauspieler, die sich dann wenigstens selbst sprechen. Dabei spielt ein Großteil der Handlung in Berlin, aber halt mit vielen Amis. Das, und weil es eine internationale Produktion ist, sorgt dafür, dass es eigentlich eine englischsprachige Serie ist. Das wirkt dann an einigen Stellen ziemlich merkwürdig und ist manchmal sogar verstörend, weil die deutschen Stimmen nicht immer passend gewählt sind, es oftmals an stimmungsvoller Betonung fehlt lassen und es auch mal an Lippensynchronität mangelt. Wer in der Lage ist die englische Tonspur zu schauen und zu verstehen, sollte das machen. Unfreiwillig witzig ist übrigens, dass die Synchronisation nicht immer das wiedergibt, was im Original gesagt wurde und der Untertitel dann gerne mal eine weitere Interpretation des Gesagten präsentiert.
„West of Liberty“ ist zwar weitgehend solide gemacht, aber leider nur durchschnittliche Unterhaltung mit der Tendenz nach unten. Die Serie lässt immer wieder durchblicken, dass sie es besser könnte, startet aber einfach nicht durch und verschenkt das ganze Potenzial, das in ihr steckt. Man ist versucht Mitleid mit der Produktion zu empfinden. Wer es gediegen und unaufgeregt mag, im Stile eines üblichen TV-Vorabendkrimis des ZDFs, der ist hier trotzdem gut bedient. Gleiches gilt für Fans von Wotan Wilke Möhring.
Das ZDF hat die Serie übrigens als stark verkürzten Zweiteiler ausgestrahlt. Ob diese Fassung dann weniger Längen und unnötige Personage aufweist, kann ich nicht beurteilen. Nach der Sichtung der DVD-Fassung wollte ich mich auf dieses Experiment dann doch nicht einlassen.
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West of Liberty
West of Liberty, Väster om friheten
Produktion: Deutschland, Schweden, Vereinigtes Königreich (2019)
Länge: 6 x 43 Minuten
Regie: Barbara Eder
Drehbuch: Sara Heldt, Donna Sharpe
Kamera: Carl Sundberg
Besetzung: Wotan Wilke Möhring (Ludwig Licht), Matthew Marsh (Clive „GT“ Barner), Michelle Meadows (Faye Morris), Cara Horgan (Jeanie J. Johnson)